Recency-Effekt (Rezenzeffekt) – Definition & Beispiel

Autor: Maik Engelkamp

Der Recency-Effekt (englisch: recency bias, auch: Rezenzeffekt) beschreibt die menschliche Tendenz, zuletzt präsentierten Informationen oder Ereignissen eine größere Bedeutung beizumessen, da diese am leichtesten abrufbar sind. Dieses Phänomen ist für die Finanzmärkte insofern relevant, als die Erinnerung an jüngste Marktereignisse Anleger zu der irrationalen Annahme verleiten kann, dass sich ein ähnliches Ereignis mit größerer als der objektiven Wahrscheinlichkeit wiederholt.

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Was ist ein Recency-Effekt? – Definition

Der Recency-Effekt ist eine kognitive Verzerrung, bei der aktuelle Ereignisse, Nachrichten, Ideen oder Argumente besser erinnert werden als solche, die in der Vergangenheit erlebt wurden. Je aktueller eine Erfahrung ist, desto leichter erinnert man sich daran (availability bias). Dies führt zu einer Überbewertung von kürzlich erhaltenen Informationen oder Ereignissen.

Dieses Phänomen kann in verschiedenen Situationen beobachtet werden, z.B. beim Lernen von Vokabellisten, bei Präsentationen oder Interviews, wo die zuletzt genannten Punkte oder Fragen besser im Gedächtnis bleiben. Der Rezenzeffekt ist auch an der Börse anzutreffen, so dass hier auch von einem „Investor Bias“ gesprochen wird. Er ist Teil des so genannten seriellen Positionseffekts, der sowohl den Primacy-Effekt (bessere Erinnerung an die zuerst präsentierte Information) als auch den Recency-Effekt umfasst.

Der Recency-Effekt ist einer von vielen kognitiven Verzerrungen beim Denken, Wahrnehmen, Erinnern und Urteilen. Diese Verzerrungen spielen in der Börsenpsychologie und Verhaltensökonomie (Behavioral Finance) eine wichtige Rolle und werden daher von Anlegern und Wissenschaftlern gleichermaßen untersucht.

Bedeutung des Recency-Effekts für die Menschen

Der Recency-Effekt tritt auf, wenn Menschen die Wahrscheinlichkeit des zukünftigen Eintretens eines Ereignisses aufgrund einer kürzlich wahrgenommenen Information oder eines kürzlich eingetretenen Ereignisses überschätzen. Dabei wird dem Eintreten des zukünftigen Ereignisses eine höhere Wahrscheinlichkeit beigemessen, als dies mit rationalen Argumenten begründbar wäre.

Dies hat zur Folge, dass die eigene Einschätzung von der Realität abweicht und Entscheidungen unqualifiziert getroffen werden. Der Grund dafür ist, dass Menschen aktuelle oder neue Ereignisse und Informationen in der Regel schneller und detaillierter abrufen können als Informationen und Ereignisse, die weiter in der Vergangenheit liegen. Dadurch werden diese neuen Ereignisse und Informationen mental überbewertet.

Der Recency-Effekt kann sogar bei zufälligen Ereignissen, wie z.B. dem Werfen einer Münze, zum Tragen kommen. Wird auf das Ergebnis des Münzwurfs gewettet, das immer mit der gleichen Wahrscheinlichkeit von jeweils 50 Prozent eintritt, kann der Recency-Effekt beim Spieler zu zwei Situationen führen:

  • Die Wahrscheinlichkeit des Eintretens eines Ereignisses (z.B. “Zahl”) wird überschätzt, da dieses Ereignis bereits in früheren Würfen eingetreten ist. (z.B. viermal “Zahl” in den letzten fünf Würfen).
  • Die Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines Ereignisses wird überschätzt, da dieses Ergebnis im Vorfeld nicht aufgetreten ist und deswegen “fällig” sei. (Bspw. viermal “Kopf” aus vier Münzwürfen).

Wie funktioniert der Rezenseffekt?

Ein bekanntes Beispiel für den Recency-Effekt ist die Überreaktion der Menschen auf Nachrichten über einen kürzlich stattgefundenen Haiangriff. Haiangriffe, vor allem tödliche, sind selten – nur eine Handvoll Menschen kommt jedes Jahr dabei ums Leben. So wurden im Jahr 2021 weltweit nur 73 unprovozierte Haiangriffe gemeldet, was dem vorherigen Fünfjahresdurchschnitt von 72 Vorfällen entspricht.

Dennoch schwimmen viel weniger Menschen im Meer, nachdem sie von einem Haiangriff gehört haben, und viele Menschen glauben, dass die Wahrscheinlichkeit viel größer ist, als sie tatsächlich ist. Nach dem Erscheinen des Blockbusters “Der weiße Hai” im Jahr 1975 wurde die Vorstellung eines unprovozierten Haiangriffs sehr präsent, was dazu führte, dass deutlich weniger Menschen schwimmen gingen als in den Jahren zuvor.

Auswirkungen des Recency-Effekts auf Investoren

Investoren, die dem Recency-Effekt unterliegen, neigen dazu, aktuellen Börsenereignissen mehr Bedeutung beizumessen als vergangenen. Wenn z.B. die Aktienmärkte in der unmittelbaren Vergangenheit gut abgeschnitten haben, könnten Anleger fälschlicherweise davon ausgehen, dass sich dieser Trend fortsetzt, und historische Zyklen oder Warnsignale übersehen.

Darüber hinaus wirkt sich diese kognitive Verzerrung auch auf andere Bereiche des Börsenhandels aus.

  • Risikowahrnehmung: Der Rezenzeffekt kann die Risikowahrnehmung der Anleger beeinflussen. Nach einer Phase geringer Volatilität könnten Anleger das Risiko unterschätzen und mehr Risiken eingehen, als unter normalen Umständen ratsam wäre. Umgekehrt können sie nach einem Börsencrash übervorsichtig werden, wenn sie die jüngsten Verluste überbewerten.
  • Portfoliomanagement: Entscheidungen über die Neugewichtung und Anpassung von Portfolios können ebenfalls durch den Recency-Effekt beeinflusst werden. Anleger könnten dazu neigen, Aktien zu kaufen, die sich in letzter Zeit gut entwickelt haben, in der Hoffnung, dass dieser Trend anhält. Eine Strategie, die auch als „Chasing Performance“ bekannt ist und sich langfristig als suboptimal erweisen kann.
  • Timing beim Ein- und Ausstieg: Anleger wählen ihre Ein- und Ausstiegszeitpunkte auf der Grundlage der jüngsten Marktbewegungen, anstatt sich auf langfristige Strategien oder Fundamentalanalysen zu stützen. Dies kann zu häufigem Trading, höheren Transaktionskosten und geringeren Gesamtrenditen führen.
  • Herdverhalten: Der Rezenzeffekt kann auch das Herdenverhalten verstärken, da Investoren dazu neigen, die aktuellen Handlungen anderer Marktteilnehmer nachzuahmen, insbesondere in Zeiten hoher Unsicherheit. Dies kann Marktblasen oder übermäßigen Korrekturen als Folge haben.

Beispiel für den Recency-Effekt an der Börse

Ein Beispiel für das Auftreten des Recency-Effekts am Kapitalmarkt lässt sich bei der Auswahl von Aktienfonds auf Basis der aktuellen Performance dieser Fonds feststellen. Anleger versuchen in diesem Zusammenhang häufig, bei Fondsmanagern zu investieren, die in jüngster Zeit über mehrere Jahre hinweg eine überdurchschnittliche Performance erzielt haben.

Dies ist in dem Glauben begründet, dass sie “ein besonders gutes Händchen haben”. Tatsächlich schneiden Portfoliomanager, die eine ungewöhnlich lange Gewinnsträhne hatten, in den Folgejahren häufig schlechter ab als ihre Konkurrenten. Meist sind überdurchschnittliche Renditen ebenfalls in einem überdurchschnittlich hohem Risiko begründet, was dazu führt, dass solche Fonds früher oder später schlechter performen werden, als die Konkurrenz.

Recency-Effekt beim Investieren vermeiden

Dem Recency-Effekt kann nur schwer entgegengewirkt werden, da er auf den menschlichen Emotionen Angst und Gier beruht, die das Denken stark beeinflussen können. Außerdem funktioniert unser Gehirn so, dass es aktuellen Ereignissen, die noch frisch im Gedächtnis sind, die größte Bedeutung beimisst, während ältere Ereignisse aus dem Gedächtnis verschwinden. Glücklicherweise gibt es jedoch einige Tricks, mit denen man dem Recency-Effekt entgehen kann.

Systematisiertes Investieren

Für Anleger besteht die beste Möglichkeit, den Recency-Effekt zu bekämpfen, darin, eine systematische Anlagestrategie zu haben und diese unabhängig von kurzfristigen Marktschwankungen beizubehalten. Hierbei empfiehlt es sich, auf fundamentale Kriterien zu achten und die eigenen Investitionen vollumfänglich zu verstehen.

Im Idealfall wird eine Investitions-Checkliste integriert, um Investitionsentscheidungen zu systematisieren und auch in Zukunft nachvollziehen zu können. Wenn man sich an ein vorher definiertes Regelwerk hält, kann man auch bei starken Marktschwankungen irrationale Entscheidungen vermeiden.

Weitere Tipps zum Umgang mit dem Recency-Effekt

Gerade weil der Recency-Effekt eng mit der Funktionsweise unseres Gehirns verflochten ist, kann der Umgang mit dem Recency-Effekt schwierig sein. Einige bewusste Verhaltensweisen können den Umgang erleichtern:

  • Die Nutzung von bedingten Termingeschäften (Optionen) zur Erhöhung der Flexibilität. Im Falle von Investments, die unerwartet gegen den Anleger laufen, kann dieser die Möglichkeit des Adjustierenes (Rollens) nutzen, um dem Trade mehr Zeit zu verschaffen.
  • Die Nutzung von Wertpapiersparplänen. Durch den Vermögensaufbau via Wertpapiersparplänen kann die Geldanlage automatisiert werden. Markteinbrüche führen in einem solchen Fall dazu, dass mehr Anteile gekauft werden, was zu einer Verringerung des Durchschnittspreises führt (Durchschnittskosteneffekt). Da keine aktive Handlung erforderlich ist, kann die Automatisierung der Anlagen hilfreich sein, um psychologischen Fallstricken entgegenzuwirken.

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