Anlagevermögen – Definition & Berechnung
Das Anlagevermögen (englisch: noncurrent assets) ist eine Bilanzposition auf der Aktivseite, die langfristig im Unternehmen genutzt wird. Im Gegensatz zum Umlaufvermögen, das verbraucht oder verarbeitet wird, bildet es die betriebliche Grundlage für die Leistungserstellung. Investoren nutzen das Anlagevermögen zur Berechnung von Kennzahlen und zum Vergleich oder zur Analyse im Zeitverlauf.
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Anlagevermögen – Definition
Das Anlagevermögen umfasst alle Vermögenswerte eines Unternehmens, die langfristig (länger als ein Jahr) im Unternehmen verbleiben und dazu bestimmt sind, dauernd dem Geschäftsbetrieb zu dienen. Es besteht in der Regel aus immateriellen Vermögenswerte wie Lizenzen und Urheberrechte, Sachanlagen (z.B. Maschinen, Fahrzeuge) und Finanzanlagen.
Das Anlagevermögen eines Unternehmens bildet die Grundlage für seine Tätigkeit, insbesondere für produzierende Unternehmen, die ohne Produktionsanlagen ihre Geschäftstätigkeit kaum aufrechterhalten könnten. Gemäß den Regelungen des Handelsgesetzbuches, dient es der langfristigen Sicherung des Wertschöpfungsprozesses (§ 247, Abs. 2 HGB).
Anlagevermögen – Berechnung
Das Anlagevermögen eines Unternehmens ergibt sich aus der Addition aller Vermögenswerte, die handelsrechtlich als Anlagevermögen zu definieren sind. Die Formel lautet wie folgt:
Anlagevermögen = Sachanlagen + immaterielle Vermögensgegenstände + Finanzanlagen
Berechnungsgrundlage sind in der Regel die Daten der Anlagenbuchhaltung eines Unternehmens. Diese ist für die Verbuchung der anlagenspezifischen Eingangsrechnungen und die Verwaltung des Anlagevermögens zuständig.
Bestandteile des Anlagevermögens im Detail
Nach der handelsrechtlichen Bilanzgliederung ist das Anlagevermögen in drei Positionen zu unterteilen (§ 266 HGB). Diese zeichnen sich durch unterschiedliche Merkmale und Zuordnungskriterien aus, die im Folgenden erläutert werden.
Immaterielle Vermögensgegenstände
Immateriell (engl. intangible) ist ein Vermögenswert immer dann, wenn er nicht physisch vorhanden ist. Im Vergleich zu einem Auto existiert beispielsweise eine Software nur digital und ist somit immateriell.
Neben Software (insbesondere Lizenzen) können auch Rechte und Patente in diese Kategorie des Anlagevermögens fallen. Insbesondere bei Unternehmen ohne eigene Produktion können immaterielle Vermögenswerte daher einen großen Teil des Anlagevermögens ausmachen. Markenrechte, Verträge oder Lizenzen sind dann in der Regel langfristig genutzte Vermögensgegenstände.
Neben den bereits genannten Positionen können auch Firmenwerte oder geleistete Anzahlungen als immaterielle Vermögensgegenstände ausgewiesen werden.
Sachanlagen
Die Position „Sachanlagen“ (engl. tangible assets) bildet das Pendant zu den immateriellen Vermögensgegenständen. Hier sind alle Anlagegüter auszuweisen, die einen materiellen Charakter haben. In der Regel sind dies Gebäude, Grundstücke oder Maschinen. Darüber hinaus können beispielsweise auch Büroausstattungen oder Kraftfahrzeuge als Sachanlagen aktiviert werden.
Finanzanlagen
Eine Sonderstellung nehmen die Finanzanlagen (engl. financial assets) ein. Diese wären zwar grundsätzlich als immaterielle Vermögensgegenstände zu bezeichnen, sind aber gesondert auszuweisen. Finanzanlagen entstehen durch die dauerhafte Bereitstellung von Finanzmitteln. Dies kann z.B. beim Kauf von Wertpapieren, bei der Gewährung von Darlehen oder bei Beteiligungen der Fall sein.
Anlagevermögen vs. Umlaufvermögen
Das Umlaufvermögen (engl. current assets) ist kurzfristiger Natur. Daher ist davon auszugehen, dass Positionen des Umlaufvermögens innerhalb eines Jahres verarbeitet oder veräußert werden. Vermögensgegenstände des Umlaufvermögens können beispielsweise der Aufrechterhaltung der Produktion, der Lieferfähigkeit oder einer angemessenen Liquidität dienen. Zum Umlaufvermögen gehören unter anderem liquide Mittel, Rohstoffe oder Handelswaren.
Während das Anlagevermögen im HGB genau definiert ist, ist dies bei der Gegenposition, dem Umlaufvermögen, nicht der Fall. Hier gibt es keine direkte Definition. Alles, was nicht Anlagevermögen ist, gehört nach HGB zum Umlaufvermögen.
Sowohl das Anlagevermögen als auch das Umlaufvermögen sind Aktivposten der Bilanz. Sie beschreiben die Mittelverwendung in einem Unternehmen und geben Antwort auf die Frage, wie ein Unternehmen seine finanziellen Mittel einsetzt. Beide Werte zusammen ergeben die Bilanzsumme. Diese wird auch als „Gesamtkapital“ oder „Gesamtvermögen“ bezeichnet.
Abschreibbare vs. nicht abschreibbare Anlagegüter
Bei der Erfassung des Anlagevermögens in der Buchhaltung eines Unternehmens ist darauf zu achten, dass dieses richtig klassifiziert wird. So kann diese Bilanzposition in abnutzbares und nicht abnutzbares Anlagevermögen unterteilt werden. Diese Unterscheidung ist für die bilanzielle Bewertung der einzelnen Vermögensgegenstände relevant.
- Als nicht abnutzbar gelten in der Regel immaterielle Vermögensgegenstände. Finanzanlagen oder Patente beispielsweise verlieren durch ihre Nutzung nicht an Wert. Aber auch Grundstücke zählen je nach Nutzungsart zu den nicht abnutzbaren Vermögensgegenständen.
- Im Gegensatz dazu verlieren abnutzbare Vermögenswerte durch ihre Nutzung an Wert. Mögliche Beispiele für abnutzbare Vermögensgegenstände sind Kraftfahrzeuge, Gebäude oder Produktionsmaschinen. Diese können daher abgeschrieben werden.
Die konkrete Bewertung der einzelnen Positionen wird in einem gesonderten Abschnitt erläutert.
Anlagevermögen – Interpretation
Das Anlagevermögen eines Unternehmens kann auf verschiedenen Ebenen interpretiert werden. Es gibt abgeleitete Kennzahlen und die Entwicklung der Bilanzposition selbst kann Aufschluss geben. Dabei unterscheiden sich die Interessen interner und externer Stakeholder: Interne Stakeholder haben Zugang zu zusätzlichen Informationen aus dem Rechnungswesen, externe nicht.
Eine Analyse des Anlagevermögens ist dann sinnvoll, wenn es mit einer Ziel- oder Vergleichsgröße, z.B. den stärksten Wettbewerbern oder der Unternehmensplanung, verglichen wird. Ein hohes Anlagevermögen kann sowohl positive als auch negative Auswirkungen haben. Positiv wirkt es sich auf das Umsatzpotenzial aus, wenn es für profitable Produkte und Dienstleistungen eingesetzt wird. Negativ kann es sich auswirken, wenn hohe Instandhaltungskosten anfallen oder mit den Maschinen unrentable Produkte hergestellt werden.
Ein höheres Anlagevermögen führt in der Regel zu höheren Abschreibungen, die durch einen geringeren Jahresüberschuss die Steuerlast verringern können. Dies kann das Unternehmen im Rahmen der Bilanzpolitik nutzen. Ohne zusätzliche Informationen ist es ratsam, das Anlagevermögen mit branchenüblichen Werten zu vergleichen, um mögliche Abweichungen zu identifizieren.
Kennzahlen auf Basis des Anlagevermögens
Durch die Kombination des Anlagevermögens mit anderen Bilanzzahlen oder unternehmerischen Kennzahlen versuchen Investoren und Unternehmen die Aussagekraft der Bilanzposition zu erhöhen. Zu den drei gängigen Anlagekennzahlen zählen unter anderem:
Anlagenintensität
Die Anlageintensität gibt den Anteil des Anlagevermögens am Gesamtvermögen an. Ein Wert von 60 Prozent würde beispielsweise bedeuten, dass 60 Prozent des Gesamtvermögens auf das Anlagevermögen entfallen. Die Formel dazu: Anlageintensität = Anlagevermögen/Gesamtkapital
Eine Betrachtung der Anlagenintensität als Branchenkennzahl ist ebenfalls möglich. Beispielsweise werden Unternehmen des Maschinenbaus in der Regel anlageintensiver sein als Versandhändler, bei denen in der Regel ein hoher Kapitalanteil im Umlaufvermögen (Handelswaren) gebunden ist. Die Festlegung von Zielwerten für diese Kennzahl ist schwierig und in der Regel nicht zielführend. Vielmehr kann diese Kennzahl den Vergleich von Unternehmen erleichtern.
Anlagendeckungsgrad
Der Anlagendeckungsgrad setzt das Eigenkapital einer Gesellschaft mit dem Anlagevermögen ins Verhältnis. Die Formel dazu: Deckungsgrad = (Eigenkapital/Anlagevermögen)*100
Eine grundlegende Anforderung an Bilanzen ist immer wieder, dass langfristige Vermögensgegenstände auch langfristig finanziert sein sollen. Diese Anforderung impliziert, dass das Eigenkapital (und eigenkapitalähnliches Fremdkapital) mindestens in gleicher Höhe wie das Anlagevermögen existieren sollen. Die Mindestanforderung an die Kennzahl läge damit bei 100 Prozent. Die abschließende Bewertung der Situation obliegt jedoch dem Investor, der das Risiko aus der Nichteinhaltung dieser „goldenen Bilanzregel“ selbst abwägen muss.
Anlagenabnutzungsgrad
Der anlagenabnutzungsgrad stellt die bereits vorgenommenen Abschreibungen dem Anlagevermögen, d.h. den Anschaffungskosten der Anlagen, gegenüber. Die Formel dazu: Anlagenabnutzungsgrad = (kumulierte Abschreibungen auf Sachanlagen / Anschaffungskosten Anlagevermögen)*100
Investoren können auf diese Weise abschätzen, in welchem Zustand sich das Anlagevermögen befinden könnte. Ein hoher Anlagenabnutzungsgrad kann ein Hinweis auf überaltertes Anlagevermögen sein. Dies wiederum kann Anlass zur Sorge über die Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens geben.
Bilanzielle Bewertung nach HGB und IFRS
Für deutsche Investoren haben in der Regel das Handelsgesetzbuch (HGB) und die International Finance and Reporting Standards (IFRS) die größte Relevanz. Im Folgenden wird daher auf die Bewertung des Anlagevermögens nach diesen beiden Rechnungslegungsstandards eingegangen. Das HGB wurde durch verschiedene Reformen bereits weitgehend an die IFRS angeglichen, kann sich aber in einzelnen Punkten inhaltlich unterscheiden.
Der Anlagenspiegel
Ein nach HGB vorgeschriebenes Dokument ist der Anlagenspiegel, auch „Anlagespiegel“ genannt. In diesem Verzeichnis werden alle Vermögensgegenstände eines Unternehmens aufgelistet. Wesentliche Eckdaten können beispielsweise der Name, das Anschaffungsdatum, der Standort (wo sich das Wirtschaftsgut befindet) oder die Anschaffungskosten sein. Der Anlagenspiegel ist deshalb vorgeschrieben, weil die Bilanzpositionen des Anlagevermögens nur Sammelposten sind.
Adressaten der Bilanz können also ohne weitere Erläuterungen nicht herausfinden, wie der Gesamtbetrag zustande kommt. Obwohl nach IFRS ein Anlagenspiegel nicht vorgeschrieben ist, hat sich dieser in der Praxis etabliert. Insbesondere deutsche Unternehmen orientieren sich bei dessen Erstellung häufig an den Regelungen des HGBs.
Nicht abnutzbare Vermögensgegenstände
Nach HGB sind nicht abnutzbare Vermögensgegenstände mit ihren Anschaffungskosten zu bilanzieren. Dies sind neben dem Kaufpreis alle Kosten, die erforderlich sind, um den Vermögensgegenstand in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen. Bei einem Grundstück können dies beispielsweise Verwaltungskosten oder Maklergebühren sein. Minderungen wie nachträgliche Rabatte (z.B. Boni oder Skonti) sind von den Anschaffungskosten abzuziehen.
Wertminderungen werden nach der erstmaligen Bilanzierung nur dann erfasst, wenn sie außerordentlicher Natur sind. Darüber hinaus müssen sie von dauerhafter Natur sein. Stellt ein Unternehmen beispielsweise fest, dass ein Grundstück mit Altlasten belastet ist, so verliert das Grundstück an Wert. Es ist davon auszugehen, dass die Wertminderung dauerhaft ist. Daher ist eine Wertminderung (Abschreibung) erforderlich. Fällt der Grund für die Wertminderung weg, besteht ein Wertaufholungsgebot. Das Unternehmen muss also den ursprünglichen Wert wieder in die Bilanz aufnehmen. Ausgenommen hiervon ist lediglich der Geschäfts- oder Firmenwert.
Auch die internationalen Standards gehen grundsätzlich von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten als Basis für die Bilanzierung des Anlagevermögens aus. Während das HGB jedoch keine Neubewertung von Vermögensgegenständen vorsieht, ist dies nach IFRS durch den Fair Value der Fall. Dieses Konzept soll eine Neubewertung ermöglichen, sofern ein aktiver Markt für den Vermögenswert besteht. Dies trifft beispielsweise auf börsennotierte Aktien zu. Wertsteigerungen können auch über den Wert der Erstbilanzierung erfasst werden.
Anlagevermögen im Beispiel
Dass die Interpretation des Anlagevermögens in der Praxis aufwendig sein kann, zeigt dieses Praxisbeispiel. Angenommen, ein Investor möchte die Bilanz der E.ON SE analysieren. Er wählt hierfür den Geschäftsbericht des Jahres 2020.
Für das Anlagevermögen ist in erster Linie die Bilanz als Bestandteil des Lageberichts heranzuziehen. Dort wird die Bilanzposition zwar als „langfristiges Vermögen“ bezeichnet, ist aber als Äquivalent zum Anlagevermögen zu sehen. Die Vielzahl der Positionen ist auf die Bilanzierung nach internationalen Standards zurückzuführen. Im Gegensatz zum HGB ist das Unternehmen nicht an eine feste Gliederung gebunden.
Die genaue Aufteilung des Anlagevermögens kann der Investor dem Anhang zur Bilanz entnehmen. Dabei fällt auf, dass E.ON immaterielle Vermögenswerte und Sachanlagen in einem Register führt und die Finanzanlagen separat erläutert.
Für die ersten beiden Positionen zeigen die Erläuterungen, dass das Anlagevermögen aufgrund diverser Zugänge gestiegen ist. Die Bewertung der Positionen erfolgt ausschließlich zu den Anschaffungs- oder Herstellungskosten. Den größten Teil des Anlagevermögens machen technische Anlagen und Maschinen aus. Hierzu könnte im Fall von E.ON die Infrastruktur der Stromnetze zählen.
Falls der Investor zusätzlich Kennzahlen wie den Anlagenabnutzungsgrad ermitteln möchte, werden auch die bereits vorgenommenen Abschreibungen im folgenden Abschnitt dargestellt.
Die separat ausgewiesenen Finanzanlagen von E.ON zeigen einen Rückgang der Wertpapiere des Anlagevermögens und der at equity bewerteten Unternehmen. Gleichzeitig steigen die Beteiligungen leicht an. Allerdings weist E.ON in den Erläuterungen selbst darauf hin, dass diese Effekte im Wesentlichen auf Währungsschwankungen und bilanzielle Umgliederungen zurückzuführen sind. Bei den Wertpapieren des Anlagevermögens handelt es sich im Wesentlichen um festverzinsliche Wertpapiere.
Nachteile der Kennzahl
Neben den Analysemöglichkeiten weist die Bilanzposition „Anlagevermögen“ auch Schwächen auf. Der Stichtagsbezug der Bilanzkennzahlen kann deren Aussagekraft einschränken. Ein Beispiel: Ein neu angeschafftes Anlagegut wird erst in der nächsten Bilanz sichtbar, obwohl es bereits seit Monaten genutzt wird.
Unternehmen können das Anlagevermögen durch Bilanzpolitik beeinflussen, z.B. durch die Entscheidung zwischen Kauf und Leasing. Leasingobjekte wie Fahrzeuge oder IT-Hardware erscheinen nach HGB nicht im Anlagevermögen und damit auch nicht in der Bilanz (nach IFRS ggf. schon). Der Kauf solcher Objekte führt hingegen zu Abschreibungen und beeinflusst die Bilanzstruktur. Ähnliches gilt für das „SaaS-Modell“ bei Software, bei dem statt eines Kaufs flexible Nutzungsrechte erworben werden.
Diese strategischen Entscheidungen sind zwar aus der Bilanz oder dem Anhang ersichtlich, erschweren aber Unternehmensvergleiche. Zeitreihenanalysen eines Unternehmens bleiben hingegen weitgehend unbeeinflusst.
Investoren sollten beachten, dass auch das Umlaufvermögen ein wichtiger Bestandteil der Bilanzanalyse ist. Während das Anlagevermögen langfristige Entwicklungen aufzeigt, kann es aktuelle Liquiditätsprobleme, die im Umlaufvermögen sichtbar werden, verdecken.
Anlagevermögen in der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung
Das Anlagevermögen ist nicht nur eine Kennzahl auf der Ebene einzelner Unternehmen. Es gibt diese Größe auch für ganze Volkswirtschaften. Zum volkswirtschaftlichen Anlagevermögen zählen beispielsweise in Deutschland alle Vermögensgegenstände, die länger als ein Jahr dauerhaft in der Produktion eingesetzt werden.
Die Definition unterscheidet sich von der betriebswirtschaftlichen. So werden bei der Berechnung der Kennzahl nur (eingeschränkt) Sachanlagen und immaterielle Vermögensgegenstände berücksichtigt. Finanzanlagen oder nicht produzierte Sachanlagen (Bodenschätze oder Grundstücke) zählen nicht zum volkswirtschaftlichen Anlagevermögen.
Häufige Fragen
Wie funktioniert die Abschreibung von Anlagegüter?
Im vorhergehenden Abschnitt wurde bereits auf die so genannten außerordentlichen Abschreibungen eingegangen. Verbreiteter ist jedoch das Konzept der planmäßigen Abschreibungen. Diese sollen den Wertverlust eines Vermögensgegenstandes abbilden. Aus diesem Grund stellt die Anschaffung eines Anlagegutes keinen Aufwand im Sinne der Gewinn- und Verlustrechnung dar. Der Aufwand entsteht erst durch die Abschreibungen in den Folgejahren.
Grundsätzlich stehen den Unternehmen verschiedene Formen der Abschreibung zur Verfügung. Dabei handelt es sich beispielsweise um:
- Lineare Abschreibung
- Degressive Abschreibung
- Abschreibung nach Leistungseinheiten
Während die lineare Abschreibung gleiche Beträge über einen bestimmten Zeitraum vorsieht, geht die degressive Methode von einem festen Prozentsatz aus. Häufig wird nach einigen Jahren von der degressiven auf die lineare Abschreibung umgestellt. Eine Abschreibung nach Leistungseinheiten definiert die maximale Leistung eines Anlagegutes (z.B. Kilometerleistung bei einem Auto) und sieht dann eine anteilige Wertminderung entsprechend der Laufleistung vor.
Ziel der Abschreibung ist es in jedem Fall, den Wertverlust eines Anlagegutes der jeweiligen Periode zuzuordnen. Dies hat einerseits Auswirkungen auf das Jahresergebnis eines Unternehmens. Dieser wird durch die Abschreibungen realitätsnäher, da im Jahr einer größeren Ausgabe nicht die volle Belastung anfällt. Schließlich soll das Anlagegut über mehrere Jahre genutzt werden.
Gleichzeitig sorgt die Verteilung des Wertverlustes dafür, dass die Aufwendungen in die Verkaufspreise einkalkuliert werden können. Ein Anlagegut verdient (amortisiert) sich also im Laufe der Zeit selbst. Ziel eines Unternehmens ist es, nach Ablauf der Nutzungsdauer des Anlagegutes dieses aufgrund der Abschreibungen in der Regel neu anschaffen zu können.
Wie unterscheiden sich die Abschreibungsregeln nach IFRS und HGB?
Bei abnutzbaren Vermögenswerten sind die Vorschriften nach IFRS und HGB in den relevanten Bereichen identisch. Unterschiede können sich zwar beim erstmaligen Ansatz ergeben, sind aber in der Praxis meist gering.
Die Bewertung des abnutzbaren Anlagevermögens erfolgt grundsätzlich nach dem Prinzip der fortgeführten Anschaffungskosten. Dies bedeutet, dass die Anschaffungskosten um die Abschreibungen vermindert werden. Dieses Verfahren trägt der Tatsache Rechnung, dass abnutzbare Vermögensgegenstände mit zunehmendem Alter und Nutzungsgrad verschleißen. Sie müssen repariert oder ersetzt werden.
Für die Abschreibungsdauer eines Vermögensgegenstandes ist im HGB die AfA (Absetzung für Abnutzung) maßgebend. In begründeten Einzelfällen können aber auch andere Zeiträume zugrunde gelegt werden. Die IFRS lassen hier mehr Spielraum. Unternehmen können die Nutzungsdauer eines Vermögenswerts eigenständig festlegen.
Lässt sich eine Nutzungsdauer nicht seriös bestimmen, ist es üblich, die Abschreibungsdauer auf zehn Jahre zu schätzen.
Was sind Geringwertige Wirtschaftsgüter (GWG)?
Das HGB definiert explizit Anlagegüter mit geringem Anschaffungswert, sogenannte geringwertige Wirtschaftsgüter (GWGs). Diese unterliegen anderen Vorgaben als vollwertige Anlagegegenstände. Ein GWG muss grundsätzlich folgende Kriterien erfüllen:
- Selbstständige Nutzbarkeit
- Beweglichkeit
- Abnutzbarkeit
- Teil des Anlagevermögens
- Nettowert über 250 Euro netto
- Nettowert unter 1.000 Euro netto
Nach diesen Kriterien wäre beispielsweise ein Kaffeevollautomat für 800 Euro netto bzw. 952 Euro Brutto (inkl. 19% Umsatzsteuer) ein GWG. Er kann ohne weitere Hilfsmittel bedient werden, ist mobil und wird durch den Gebrauch abgenutzt. Außerdem dient er dem Unternehmen langfristig.
Kein GWG wäre dagegen beispielsweise ein Drucker für 300 Euro. Dieser erfüllt das Kriterium der selbständigen Nutzbarkeit nicht. Ohne einen zugehörigen Computer könnte der Drucker in der Regel nicht betrieben werden.
Die genannten Wertgrenzen sind auch im Jahr 2024 noch gültig. Laufende Anpassungen und Aktualisierungen sind jedoch möglich.
Innerhalb der GWG gibt es zwei verschiedene Kategorien.
- Zwischen einem Nettowert von 250 Euro und 800 Euro ist eine Sofortabschreibung im Jahr der Anschaffung möglich. Dies ist vom Unternehmen im Anlagenspiegel zu dokumentieren.
- Zwischen 250 Euro und 1.000 Euro kann ein Unternehmen auch einen Sammelposten bilden. Diese sogenannte Poolmethode entbindet das Unternehmen von der Dokumentation der einzelnen GWGs. Eine Sofortabschreibung ist jedoch nicht möglich. Stattdessen wird der Sammelposten über fünf Jahre abgeschrieben.
Alle Gegenstände unter einem Wert von 250 Euro netto werden als Aufwand verbucht und nicht mehr als Anlagevermögen berücksichtigt. Gegenstände ab einem Wert von 1.000 Euro gelten als klassisches Anlagevermögen und sind nach den oben genannten Regeln zu bilanzieren.
Neben dem HGB sehen auch die IFRS Möglichkeiten zur vereinfachten Bilanzierung von geringwertigen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens vor. Feste Wertgrenzen sind hier jedoch nicht definiert. Nach dem Konzept der IFRS definiert das Unternehmen sogenannte Wesentlichkeitsgrenzen. Unterhalb dieser findet das vereinfachte Verfahren nach dem Konzept der GWGs statt.
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